Der Glockenturm (s. Pfeil in Abb.1), genannt „Die Glock“, befand sich am Rande des Schlossplatzes im Klosterbezirk des einstigen Dominikanerklosters . Als das Kloster 1536 von Kurfürst Joachim II. geschlossen und die Klosterkirche zum Berliner Dom geweiht wurde [1], kamen in den einstmals quadratischen, sehr massiven Turm nach und nach mehrere große Glocken, darunter die schwerste freischwingende Glocke (13,2 t) des ausgehenden Mittelalters und vier Schellen. Das außergewöhnliche Geläut wird in einem extra Beitrag beschrieben.
Abb.1: Rekonstruktion des Stadtbildes am Dominikanerkloster zur Zeit Joachim II. (Borrmann [1]: Bild 33, S. 260). Obwohl die rechteckige Form des Glockenturms bereits bei der Grabung von 1880 nachgewiesen wurde, betont Borrmann mit der Abb.1 in seinem 1893 herausgebrachten Buch, dass der Glockenturm zunächst eine quadratische Form hatte.
Zum Alter und der einstigen Verwendung des Turmes gehen die Meinungen weit auseinander. Der Begriff „Schloßturm“ in der Urkunde von 1683 (s. Zeittafel) lässt vermuten, dass er zum ersten Schloss (1453) gehörte. Das würde auch mit der Meinung von Leutinger (+1612) übereinstimmen.
Meinungen zum Alter und der Verwendung des Glockenturms
Küster [13] beschreibt die Bausubstanz beim Abbruch (1716): Ein „massiver viereckiger Turm von Feld-, Bruch- und Ziegelsteinen erbaut“. Zum Kloster konnte er nicht gehören, da die Dominikaner Kirchen ohne Türme bauten. Auch Pater Burghard (vom jetzigen Dominikanerkloster) vermutet, dass er schon vorher dort gestanden hat und die Dominikaner dort zunächst ihre Wohnung nahmen.
Adler [14]: Erbaut wurde er nach seiner Bauart als Befestigungsturm, als die erste Cöllner Stadtmauer wegen des Klosterbaues nach Norden verlegt werden musste. 1516 Sitz des Kammergerichts (Kf. Joachim I.). Gr. Kurfürst 1648: „der Zwinger nahe der kleinen Kapelle zum Gefängnis gebrauchen“.
A. Beyer [15]: Im Zusammenhang mit dem Haus des Schlosshauptmanns (1679) wird vom „vorigen alte Stock“ gesprochen. Da „Stock“ ein Ständerbauwerksgebäude aus Holz bedeutete (Lübben), könnte es ein Vorgängerbau des Glockenturms, d.h. ein Wohnhaus der Dominikaner gewesen sein.
Leutinger, der 1612 verstarb, hat also den alten Turm als Zeitzeuge gesehen. Er hält ihn für ein Bauwerk aus der Zeit des Kf. Friedrich II. [16].
Borrmann [17]: 1536 Umzug des Domstifts aus der Erasmus Kapelle des Schlosses in die Dominikaner Kirche, die glänzend ausgestattet wurde. Gegen Vergünstigungen spendeten Neuruppin, Wilsnack, Bernau, Osterburg u.a. für das Geläut mehrere große Glocken. Wegen ihrer Größe und Schwere mussten sie in dem neben dem Chor der Kirche „belegenen unförmigen Turme, die Glock“ untergebracht werden.
Hainhofer beschreibt 1617, dass das Kammergericht in den alten Klostergebäuden untergebracht war. [18]
Beckmann (+1717) vermutet, kein altes, sondern damals und für jenen Zweck als Glockenturm errichtetes Bauwerk [19].
Geyer: Der Turm wurde 1536 zum Glockenturm bestimmt. Der allein stehende besonders massive Turm hinter der Mauer, der die Stadtmauer überragte, war ein Zwinger [20].
Wie beengt die Räumlichkeiten im alten Berliner Schloss waren, wird beschrieben [21]: Die Baulichkeiten des Schlosses in Cölln, in dem das Kammergericht zu jener Zeit getagt, lagen dem Schloßplatze zu … Das Cöllner Schloß war eigentlich von Anfang an unzureichend. 1518 kaufte der Kurfürst das Haus seines Kanzlers in der Breiten Straße (heute Marstall). Joachim II. ließ den Schloßplatzflügel umbauen. Am Portal I war später der Sitz des Kammergerichts (s. Klöden, S. 71/Bild 19, Schloßzeichnung).
Es ist daher durchaus möglich, dass das Kammergericht 1516 seinen Sitz im Turm hatte.
Weiterhin bleibt also unklar, ob der Glockenturm wirklich von Kf. Joachim II. selbst errichtet wurde. Ein Neubau erscheint allerdings zweifelhaft (s. unten, Rekonstruktion der Grundmauern), denn die zahllosen Berichte stellen einen Zusammenhang mit dem Bau des ersten Berliner Schlosses her, ja es kommt sogar eine Erbauung vor der Einrichtung des Dominikanerklosters in Betracht.
Um das Geläut im Turm unterzubringen, mußte eine Glockenstube zur Aufnahme der Glocken errichtet werden. Im Falle eines älteren Turms muß dieser umgebaut worden sein, um die Glockenstube aufnehmen zu können.
Zeittafel zum sogenannten Glockenturm
1473: (Riedel?) Akten werden aus dem Schloss für den Geheimen Rat ins Kloster gebracht.
1516: Nutzung für den Geheimen Rat. Später Sitz des Kammergerichts im Obergeschoss [4]
18. Nov. 1535: Päpstliche Bulle gestattet die Umwandlung der Klosterkirche in einen Domstift.
27. Mrz. 1536: Abgabetermin einer „sehr großen“ Glocke. So der Befehl an die Stadt Bernau, die dafür Zollfreiheit erhielt.
14. Apr. 1536: Joachim II. erlässt neue Statuten für den Domstift zu Cölln.
28. Mai 1536: Die Dominikaner müssen ihr Kloster verlassen.
2. Juni 1536: Der Domstift wird aus der Erasmuskapelle in die Klosterkirche verlegt (Freitag vor Pfingsten).
4. Juni 1536: Am Pfingstsonntag wird die Klosterkirche vom Bischof von Lebus zur Domkirche geweiht (neu konsekriert).
3. Juli 1536: Sondererlaubnis des Papstes zur Reorganisation des Domkapitels.
1537: Erst im Jahr nach der Weihung des Domes wurde das „Langestück“, eine 13,2 t schwere Glocke, gegossen.
1538: Der Rat der Stadt Eberswalde überließ Joachim II. eine 6,2 t schwere Glocke.
1552: Anläßlich einer Vermittlungsaktion in Wilsnack wurde die 3,5 t schwere Glocke von Joachim II. nach Cölln geholt.
1648: Benutzung als Gefängnis
1679: Wohnung und Bierhandel unter der sogenannten Glock, Arbeitsplatz des Geheimen Rates [6]
1683: Für das Geläut im „Schloßturm“ bestellte Pulsanten [7].
1685: Geborstene und umgegossene Glocke in den Uhrenturm der Domkirche. Der alte Turm wurde umgebaut und bekam eine rechteckige Form. Dabei könnte die Bausubstanz des alten Turms abgetragen worden sein.
1716: Abriss des Turmes.
Um 1880: Meinungen: „Der Turm hatte 2 mal 2 Schallschlitze“ [9] (Anm.: Also quadratisch, s. Merianstich um 1650). „Es war ein Befestigungsturm der Stadtmauer“.
1936: Meinung: „Zwingerfunktion zwischen den Stadtmauern“ [10]. (Anm.: Nach 1300 und vor dem Schlossbau)
Bestückung des Glockenturms
Im Laufe der Zeit kamen mehrere größere Glocken und 4 Schellen (mit einem Gewicht deutlich unter einer Tonne) ins Geläut (Abb. 2). Bei der von Geyer [5] als erste und größte beschriebenen Glocke dürfte es sich um die grösste Glocke der Erstbestückung, einer 5,7 t-schweren Glocke aus Neuruppin, gehandelt haben. Dazu kam die Bernauer (1,8 t), einer „sehr schweren“ Glocke, die aufgrund des Befehls von Kf. Joachim II. im März 1536 nach Cölln geliefert werden musste. Ferner wurden die beiden Glocken aus Brandenburg (2,8 t) und Osterburg (1,8 t) nach Cölln gebracht, so dass zur Einweihung bereits ein beachtliches Geläut bestand.
Wie in der Zeittafel aufgelistet, ließ Joachim II. erst im Folgejahr nach der Einweihung des Alten Berliner Doms eine 13,2 t-schwere Glocke, das „Langestück„, gießen. 1538 kam noch die „Eberswalder“ und 1552 die „Wilsnacker“ Glocke hinzu.
Weitere Informationen im Beitrag „Das Geläut des einstigen Berliner Glockenturms“ mit Klangsimulationen der Glocken und Geläute.
Abb.2: Übersicht der Glocken- und Schellenbestückung.
Grabungsbefunde
1880: Bei Kanalisationsarbeiten auf dem Schlossplatz entdeckte man ein außergewöhnlich massives Fundament von dem nunmehr rechteckigen Glockenturm (Abb.4) [ 11]. Die Umfassungsmauer wurde mit bis zu 4,5 m Stärke angegeben. Die Innenfläche (9,5 x 3,5 m) war überwölbt.
1891: Bei den Vorbereitungen zur Aufstellung des Neptunbrunnens gab es auf der nordöstlichen Seite eine Berührung mit dem Turmfundament (Befund „a“ in Abb. 4). Hier die Beschreibung [12]: „Das Fundament aus drei mit Backsteinen neu verzwickelten Schichten von Findlingen. Dasselbe wurde unter dem Straßenpflaster vorgefunden. Die Mauerstärke betrug 2,5 m; die Findlinge der untersten Schicht hatten bis zu 0,5 t Gewicht“.
2009: Im Zuge der Grabungen auf dem Schlossplatz wurde nur die südwestliche Seite des Fundaments freigelegt oder besser gesagt, handelte es sich um die kläglichen Reste (etwa 10% der offenen Fläche), denn das ursprüngliche Fundament war durch verschiedene Baumaßnamen äußerst stark gestört. Die Mauerstärke wurde mit bis zu 5 m angegeben (Befund „b“ in Abb.4). Auch hier fand man nur vereinzelte größere Findlinge vor, die mit Ziegelsteinen verzwickelt waren, also eher einer Technik, mit der man im 17 Jh. arbeitete.
Rekonstruktion der Grundmauern
Bei der Untersuchung zahlreicher Stadtpläne und bildlicher Darstellungen [3] lässt sich in den Quellen eine eindeutige Übereinstimmung feststellen: Zunächst war der Glockenturm quadratisch. Um 1685 dürfte eine Umgestaltung des Schloßplatzes stattgefunden haben. Dabei erhielt der Turm eine rechteckige Form.
1. Der in Findlingsmauerwerk errichtete Turm war zunächst quadratisch [4] mit den Maßen 10 m x 10 m, wie in Abb.3 gezeigt. Die Turmhöhe dürfte 12 m bis 14 m betragen haben, die Mauerstärke bis zu 2,5 m. Zur Fluchtlinie der Klosterkirche bestand ein deutlicher Abstand (5 m) .
Abb.3: Rekonstruktion aus verschiedenen Stadtplänen. Hinweise zur maßlichen Gestaltung wurden der Grabungskarte von 1880 entnommen [5, Bildband, Bild 1].
2. Nach 1685 wird der Glockenturm in den Stadtplänen und bildlichen Darstellungen [3], wie auch in den Grabungsbefunden von 1880 und 2009 als rechteckig mit den Maßen 13 m x 17 m beschrieben. Das Gebäude reichte nun bis zur Fluchtlinie der Klosterkirche (Abb.4). Das Mauerwerk bestand aus Findlingen mit verzwickelt gemauerten Ziegeln.
Abb.4: Rekonstruktion aus verschiedenen Stadtplänen. Leider findet sich in den Grabungsbefunden von 1880 und 2009 kein direkter Hinweis auf die quadratische Form des ursprünglichen Turms. Maßangaben wurden der Darstellung aus dem Architekturmuseum [12] entnommen.
Literaturanmerkungen
[1] Borrmann, Richard: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Berlin, Nachdruck 1982, S. 159
[2] Ebenda, S. 163
[3] Vahldiek,Hansjürgen: Berlin und Cölln im Mittelalter, 2011, Kap. L
[4] Klöden, Karl Friedrich von: Andreas Schlüter , S. 105: Der Glockenturm ist ein viereckiger Turm. In den oberen Teil dieses Turms wurde der Geheime Rat und später das Kammergericht verlegt. S. 106: 1516 war das neu eingerichtete Kammergericht in den Turm verlegt worden.
[5] Geyer, Albert: Geschichte des Schlosses zu Berlin, 1936, S. 12
[6] Geheimes Staatsarchiv: GStA Rep 9/H8 F3
[7] Geheimes Staatsarchiv: GStA Rep2/28
[8] Beckmann, J. Christoph : Wie Anm. 1, S. 169
[9] Stadtansicht: Vahldiek, Hansjürgen, Cölln an der Spree, 2005 ,S. 15
[10] Wie Anm. 5, S. 12
[11] Ebenda
[12] Fundamentecke vom Glockenturm: Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin, Inv.-Nr. 19341
[13] Küster: Altes und neues Berlin, Bd. I, S.49
[14] Adler, Friedrich: Zur Geschichte der Befestigung Berlins, 1863, S. 213
[15] Beyer, A.: Der Grüne Hut des Königlichen Schlosses in Berlin, Centralblatt der Bauverwaltung, 1897, S. 50
[16] Wie Anm. 5
[17] Wie Anm. 1
[18] Beckmann , s. Anm. 1, S. 160
[19] Ebenda
[20] Wie Anm. 5
[21] Holtze, Friedrich Wilhelm: 500 Jahre Geschichte des Kammergerichts, Schriften 1913/XLVII, S.14